VENUS
Liebe Familie Koopmann,
hier meldet sich Venus, die Liebesgöttin. Ein treffenderer Name hätte für mich kaum gefunden werden können, denn ich liebe es, mit meinen Büchsenöffnern und Bällchenschmeißern zu schmusen.
Ich hätte nie gedacht, dass das Leben so wunderbar sein kann. Ich erzähle mal, wie ein typischer Tag von mir aussieht. Wenn morgens der Wecker klingelt, wedele ich erst mal mit dem Schwanz und lecke meiner Tanja erst mal die Stirn. Dann klettere ich zu meinem Armin und dann hab ich es endlich geschafft: Ich liege zwischen meinen Menschen und nehme ausführliche Huldigungen entgegen. Dabei singe ich vor Wohlbehagen eines meiner Collie-Lieder. (Ich gebe zu allem meinen Kommentar ab).
Dann stehen meine Menschen auf. Ich bleibe noch ein paar Sekunden auf meiner Decke (auf dem Bett!!!) liegen und öffne meine Schlitzaugen langsam und endgültig. Dann renne ich zu meiner Tanja ins Badezimmer und freue mich wie doll, denn ich habe sie ja schon seit einigen Sekunden nicht mehr gesehen. Während meine Chefin ihre morgendliche Sanierung vornimmt, kuschle ich mich noch mal an ihre Füße und mache noch ein paar Minuten die Augen zu.
Dann gehen wir runter. Ich renne mit Vollgas die Treppe runter, denn unten wartet mein Rentnerfreund Ben schon, um die Chefin zu begrüßen. Vorher küsse ich ihn aber noch ganz schnell. Ich kann das überhaupt nicht leiden, wenn mit dem Rentner geschmust wird. Das finde ich total überflüssig. Dann motze ich und springe andauernd dazwischen. Das juckt aber weder den Rentner noch meine Chefin, die schmusen einfach weiter.
Überhaupt der Rentner....... Ich mag ihn. Er ist zwar ziemlich trottelig. Ich habe ihn schon zweimal umgeschmissen. Da ist der aber sauer geworden.... Ich konnte ja nicht ahnen, dass er so tatterig ist. Da macht er immer einen auf jugendlich, wenn wir im Garten gemeinsam die Feinde verjagen oder etwas Tolles entdecken, und dann fällt er einfach um, wenn ich ihn anspringe.
Wenn meine Tanja in die Schule fährt, begleiten der Rentner und ich sie bis zum Törchen, bekommen unser Abschiedsleckerchen und schauen ihr nach, bis sie nicht mehr zu sehen ist. Der Rentner trottelt dann langsam wieder ins Haus, in der Zeit bin ich schon dreimal in der Küche gewesen und habe Armin aufgefordert, schneller seinen Kaffee zu trinken, damit wir spazieren gehen können.
„Gehen wir spazieren?“ sind für mich die absoluten Zauberworte. Wenn das Geschirr von der Garderobe genommen wird, sitze ich schon bereit, klopfe mit meinem Schwanz und jodele vor Vorfreude.
Die Leine: Anfangs bin ich büchsen gegangen, wenn die Leine nur von der Garderobe genommen wurde. Dann habe ich den Rentner beobachtet, wie er sich immer freut, wenn er angeleint wird. Was der da alles bekam.... Leckerchen und Lob.....
Da habe ich mir gedacht, das probiere ich auch! Meine Menschen sind ja fast ausgeflippt vor Freude. Immer wenn ich sie anschaue, loben sie mich in höchsten Tönen und ich bekomme Leckerchen angeboten. Seit zwei Wochen darf ich von der Leine. Suuuuuuuuuuuuuper.
Ich renne so gerne und so schnell wie der Wind. Ich liebe es, große Kreise um mein Rudel zu ziehen. Der Rentner zeigt mir alles, was wichtig ist: Die besten Schnupperstellen, das leckerste Gras, die geheimsten Gänge durch Hecken und Gestrüpp. Ohh, ist das schön. Ich liebe es, wenn wir auf Wiesen spazieren gehen. Da muss ich einfach ganz viel rennen. Und der Wald..... Hätte ich geahnt, dass es so schön ist, durch Laub zu preschen.........
Ich klettere für mein Leben gerne. Ich kann schon auf Baumstämmen balancieren, auf Baumstummel hüpfen, über dicke Äste springen und wer weiß, was noch alles auf mich wartet. Ich habe schon richtige Muskeln bekommen. Ich finde es auch ganz schön, mit dem Rentner durch Bäche zu waten. Wir machen jeden Tag eine Kneipp-Kur. Der Rentner schwört auf Kneipp. Er meint, das würde unsere Durchblutung fördern.
Manchmal verliert der Rentner die Orientierung. Das könnte mir nie passieren, denn ich halte mit meinen Menschen beim spazieren gehen stets Blickkontakt und ziehe regelmäßig meine Kreise, um sie ja nicht zu verlieren. Wenn der Rentner mal wieder nicht peilt, dass wir abbiegen, dann bekomme ich einen Spezialauftrag: „Venus, hol den Ben!“ Dann renn ich aber los, stupse ihn an oder umkreise ihn, damit er weiß, wo wir sind. Das liebe ich sehr, denn ich bekomme dafür immer eine dicke Belohnung. (Einmal habe ich den Rentner aus unserer Gartenhecke befreit, aus die er nicht mehr alleine rauskam. Da habe ich schnell die Tanja geholt. Das fanden alle suuuuuuuuuuper!)
Seit drei Tagen habe ich noch etwas Neues entdeckt: Laufspiele mit anderen Hunden. Oh, ist das fantastisch. Da ich ja mittlerweile genügend Kondition habe, kann ich wirklich richtig lange mit anderen Hunden spielen. Das finde ich klasssssssssssseeeeeeeeee! Nur eines finde ich richtig schlimm: Diese jungen Rüden. Also die haben ja wirklich kein Benehmen. Es gibt da einen, der geht mir so richtig auf den Keks. Der merkt einfach nichts. Da hilft kein Knurren und kein Zähne zeigen. Da konnte ich nur noch abschnappen. Selbst da hat es ihm noch nicht gereicht. Gott sei Dank kann der Rentner es überhaupt nicht leiden, wenn die jungen Herren mich belästigen. Der hilft mir dann immer. Dann reicht es auch den jungen Buben und sie machen sich vom Acker. Morgen werde ich kastriert. Ich weiß zwar nicht, was das ist, aber meine Menschen haben mir zugesichert, dass dann die Buben mich in Ruhe lassen.
Drei Mal am Tag gehen wir spazieren. Zwischendurch ruhe ich mich aus, denn das ist sehr aufregend für mich. Schmusen ist für mich das Allerwichtigste. Fressen finde ich gar nicht so bedeutend, wie meine Menschen zunächst gedacht haben. Ich bekomme zweimal am Tage meine Mahlzeiten, die ich zunehmend langsamer und genüsslicher verspeise. Anfangs schlang ich mein Fressen in einem Rekordtempo, denn diese Angst, dass mich jemand überfallen könnte und mein Fressen wegschnappen könnte, ließ mich nicht los. Aber der Rentner ist überhaupt nicht fressneidisch. Der hat  mich sogar aus seinem Napf mitfressen lassen. (Da mussten meine Menschen ans Telefon und konnten nicht aufpassen). Das fand ich unglaublich. Wenn es Leckerchen gibt oder mal was für den kleinen Hunger zwischendurch, sitzen wir beide nebeneinander - ohne Hektik - und kauen ganz genüsslich unser Leckerchen. Auf dem Sofa sitzen wir abwechselnd, weil für zwei Hunde kein Platz ist. Wir haben unsere Menschen schon überredet, ein größeres Sofa anzuschaffen.
Andere Menschen finde ich unheimlich. Menschen mit Hunden finde ich o.k.
Jeden Sonntagmorgen gehe ich in die Hundeschule zu Markus. Markus hat auch zwei Hunde, und Markus versteht mich. Er gibt meinen Menschen gute Tipps, meine Unerfahrenheit mit vielen alltäglichen Dingen zu bewältigen und mir gaaaaaaaaaaaanz langsam die Welt zu zeigen. Dabei lerne ich so schnell (Der Rentner zischt mir manchmal „Streber“ zu, wenn ich sofort was kapiere, für das er länger gebraucht hat).
In meine Klasse gehen alles Hunde in meinem Alter, die meisten sind Hunde aus dem Tierheim. Ich bin aber die ängstlichste. Ich mache in der Hundeschule vorsichtige Kontaktübungen mit Menschen und anderen Hunden. Meistens schaue ich aber erst nur zu, damit ich mich andere Menschen und Hunde gewöhne. Ich habe auch ein Lieblingsfach in der Hundeschule: Agility. Meine Menschen und mein Lehrer behaupten, ich sei ein Naturtalent.
Einmal haben wir auch in der Hundeschule bei Matschwetter ein Video geschaut von einer Frau Turid Ruugas von Animal Learn. Ich durfte bei meinen Menschen auf der Sitzbank sitzen, weil ich gerne erhöht sitze, denn da fühle ich mich sicherer. In dem Video - das wurde nur für mich gezeigt - ging es um Beschwichtigungsgesten. Markus hat meinen Menschen Tipps gegeben, wie sie auf meine Beschwichtigungen reagieren können. Mein Armin und meine Tanja verhalten sich seit dem öfters mal hündisch und drehen den Kopf weg oder lecken sich die Zunge. Ich muss sagen, das hilft mir, und auch durch meine zunehmende Sicherheit meiner Menschen beschwichtige ich immer weniger.
Oh, ist mein Brief lange geworden. Hoffentlich habe ich Sie nicht gelangweilt mit meinen kleinen Alltagsbegebenheiten.
Eins noch muss ich unbedingt erzählen: Ich liebe spanische Gitarrenmusik. Außerdem liebe ich es, wenn meine Menschen singen. Wenn mein Armin eine bestimmte Melodie pfeift, dreh ich durch vor Freude. Es ist „unser“ Lied.
Liebe Familie Koopmann, danke, dass Ihr mich und meine Freunde gerettet habt, denn das Leben ist so wunderbar, und es gibt noch verdammt viel zu entdecken. Ohne CIN hätte ich nie die schönen Seiten des Lebens kennen- und liebengelernt. Nochmals herzlichen Dank!
Alles Liebe von Venus
PS: Ich drücke Zoé ganz fest die Pfoten, dass sie es schafft!!!!